Der Symposiumsnachmittag war ausschließlich einem Referat von Frau Mag. Dr. Helena Maria Topaloglu gewidmet: „Die (qualitative) Forschung im Dilemma zwischen Subjektivität und Objektivität: Wirksamkeit und Effektivität auf dem Prüfstand?“
Im vorigen Jahr ist in Österreich ein Leitfaden für praxisorientierte Psychotherapieforschung zur Anwendung in Wissenschaft, Forschung und Ausbildung erschienen. Da Frau Dr. Topaloglu den Entstehungsprozess intensiv begleitet hat, wurde dieser Leitfaden zum Ausgangs- und Bezugspunkt des Referates.
Die Referentin plädierte dafür, die Psychologie den Geistes- und Humanwissenschaften zuzuordnen, um damit die methodischen Ansätze aus diesem Bereich verwenden zu können, im Gegensatz zu denen, die in der somatischen Medizin mit ihrem häufig sehr technischen Denken üblich sind.
Es wurde der qualitative dem quantitativen Ansatz gegenüber gestellt und versucht, Möglichkeiten einer sinnvollen Integration der beiden aufzuzeigen. Die kontrollierte Gewinnung von Messwerten sollte durch die Berücksichtigung von Phenomenologie, Hermeneutik und Dialektik ergänzt werden, um komplexe Vorgänge und Zustände besser abbilden zu können.
In der Psychologie sollte bei Untersuchungen dem Prozess in der Behandlung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden als den Ergebnissen. „Ergebnisse“ könnten beim Patienten in der Psychotherapie nur durch sein Verhalten „gemessen“ werden. Der Prozess müsste von Seiten des Behandlersubjektes/Forschers so minutiös beschrieben werden wie möglich. Seine Motivationen, Vorannahmen (Wirklichkeitsmodelle), Verfahren müssten im Sinne einer Subjektivitätsanalyse transparent gemacht werden. Für diese Analysen wurden konkrete Mustervorschläge gezeigt, mit deren Hilfe auch in der Psychologie Reproduzierbarkeiten von Verfahren belegt werden können – in einem eigentlich offenen System, das speziell durch Prozesshaftigkeit gekennzeichnet ist. Bei jedem Forschungsprojekt werde mit Idealkonstruktionen von Wirklichkeit gearbeitet, die seriös analysiert und offengelegt werden müssten.
Zurzeit wird die gesamte Medizinforschung von der Suche nach quantitativer Evidenz bestimmt. Als Goldstandard gilt die aus der Pharmaforschung stammende doppelt verblindete, kontrollierte und randomisierte Studie. Derartige Studien sind in ihrem Design auf kleine, umschriebene Fragestellungen mit einer überschaubaren Zahl von Einflussgrößen beschränkt. Es hat sich gezeigt, dass komplexe Themen häufig nur durch künstliche Verengung in diesen Rahmen gezwungen werden können. Aus dem Auditorium kam die Aufforderung, offensiver gegen diese allgemein übliche Verengung in der Forschung aufzutreten und nicht die Psychologie als besonders gegenüber der somatischen Medizin aufzustellen. Am Ende der Diskussion wurde aber deutlich, dass der eingeschlagene Weg als wichtiger Schritt auf dem Weg zur wissenschaftlichen Anerkennung der psychologischen Forschung zu sehen ist. Perspektivisch ist auf eine Aufweichung der verbreiteten Quatitätsgläubigkeit zu hoffen.
Celina Schätze