Anhörung in Berlin:

Anhörung in Berlin:

Troisdorf, 30. März 2015

Bei der Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales des Berliner Abgeordnetenhauses am 23.02.2015 stand die zahnmedizinische Versorgung im Land Berlin auf der Tagesordnung. Die DAZ-Vorsitzende Dr. Celina Schätze war als Sachverständige zur Frage der Vorenthaltung von Kassenleistungen eingeladen. Hier Ihre Stellungnahme:

Seit einigen Jahren häufen sich Meldungen und Beobachtungen über nicht angebotene Sachleistungen in zahnärztlichen Praxen. Dabei wird über verschiedene Formen berichtet. Die erste Variante ist, Leistungen gar nicht anzubieten, wie z.B. eine Amalgamfüllung, und stattdessen eine zusatzkostenfreie weniger haltbare Füllung zu legen oder eine aufwändigere gegen Zuzahlung. Die zweite Möglichkeit ist, die Sachleistung als so schlecht darzustellen, dass der Patient der Zuzahlung aus seinem Gesundheitsinteresse heraus zustimmen muss. Eine weitere Variante aus den Berichten ist, dem Patienten die Zuzahlung als gegeben darzustellen und den Sachleistungsanspruch nicht zu erwähnen. In der Höhe der abgerechneten Zuzahlungen gibt es große Unterschiede.

Nicht nur die Mitglieder unseres Verbandes sind fast täglich mit diesen „Geschichten“ konfrontiert. Im privaten Gespräch kann man mit vielen Kollegen dieses Thema betrachten, entweder in kritischer Beobachtung oder mit Berichten vom eigenen Vorgehen. Es gibt auch beides zugleich, da sich jeder Kollege in dem Spagat zwischen den wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Praxisführung und dem Anspruch auf Breitenversorgung der Patienten über die schlecht bezahlte Sachleistung befindet.

Alle Versuche, dieses Thema auf eine ehrliche Diskussionsebene bei der verfassten Zahnärzteschaft zu heben, sind bisher gescheitert. Jeder Bericht wird als Aufbauschung von Einzelfällen zurückgewiesen. Der Bundesregierung wurde zur Beantwortung von parlamentarischen Anfragen mitgeteilt, dass es nur eine verschwindend kleine Zahl von Meldungen zu derartigen Vorfällen gebe und dass davon viele sich als Missverständnis herausgestellt hätten. Jeder, der sich in der zahnmedizinischen Szene auskennt, weiß, dass das nicht richtig ist, kann es aber nicht beweisen. Leider werden von den Krankenkassen die eingehenden Beschwerden nicht dokumentiert, es wird keine Aufklärung über die Sachleistungsansprüche an die nicht „selbstinformierten“ und damit im allgemeinen der Sachleistung besonders bedürftigen Patienten herangetragen.

Die Gesundheitspolitik verfolgt seit einiger Zeit eine Linie der Öffnung des Rahmens, innerhalb dessen Zuzahlungen für höherwertige Leistungen bei gesetzlich versicherten Patienten erlaubt sein sollen. Das ist ein dem Grundsatz nach sinnvolles Konzept: Es gibt eine gesetzlich versicherte Leistung, die gemäß dem Sozialgesetzbuch „ausreichend“ ist, und zukaufbare Verbesserungen in Komfort, Ästhetik u.ä.. Leider ist durch diese Konstruktion das Interesse der Vertretung der Kassenzahnärzte, für eine angemessene Bezahlung der ausreichenden Leistung oder erweiterte Definitionen der Basisleistung zu streiten, verloren gegangen. Die Verdienstmöglichkeiten über die privat zu liquidierenden Zusatzleistungen sind gut, und die Kassen sehen nicht mehr die Notwendigkeit, über die Modernisierung und Weiterentwicklung ihres Leistungsangebotes nachzudenken, weil es ja die Zusatzangebote gibt. Die Selbstverwaltung führt keine Debatte mehr über grundsätzliche Fragen des Sachleistungssystems. Hier decken sich offenbar die Interessen der Zahnärzteschaft mit denen der gesetzlichen Krankenkassen.

Wenn der DAZ die Sicherstellung des Zuganges zur Sachleistung fordert, ist das der Sorge um die Basisversorgung der Bevölkerung verpflichtet. Viele Patienten, die die Kosten für die zahnärztliche Versorgung aus einem auskömmlichen Konsumbudget finanzieren können, sind – bezogen auf die Zuzahlungsfrage – nicht besonders zu schützen, andere sozial Schwache allerdings schon. So manche der angepriesenen Besserleistungen ist allerdings auch unnötig invasiv oder ohne nachgewiesenen medizinischen Nutzen für den Patienten und deshalb – über die finanziellen Aspekte hinaus – in Frage zu stellen.

Das Bemühen um die Basisversorgung muss sowohl eine ethisch-moralische Komponente haben, als auch eine wirtschaftliche durch verbesserte Honorierung der „ausreichenden“ Leistung. Die KZVen müssen ihre Mitglieder (die Vertragszahnärzte) nachdrücklich an ihre Verantwortung erinnern, und seitens der Politik muss es eine Bereitschaft geben, der zahnärztlichen Basisversorgung die ihr zukommende Wertigkeit zuzumessen und die entsprechenden finanziellen Mittel bereitzustellen.

Auf der Ebene der Selbstverwaltung der Zahnärzte ist für Transparenz zu sorgen. Es braucht eine klare Beschreibung des Sachleistungsanspruches und das Bekenntnis dazu, wie auch eine Darstellung der Abrechnungsmöglichkeiten und Kalkulationsgrundlagen für Zusatzleistungen. Diese Transparenz in der Darstellung setzt allerdings die Anerkenntnis des Problems in den eigenen Reihen voraus.

Dr. Celina Schätze, DAZ-Vorsitzende

Berlin, den 19.02.2015

In Berlin wird die Diskussion über diese Fragen weitergehen, hoffentlich nicht nur dort. Hohe private Zuzahlungen zu Gesundheitsleistungen sind deutschlandweit ein Problem für Bürger mit geringen finanziellen Ressourcen. Wie der aktuelle Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zeigt, wächst der Anteil der Menschen, die mit einem Einkommen unter oder knapp über der Armutsgrenze auskommen müssen – siehe

http://www.der-paritaetische.de/armutsbericht/die-zerklueftete-republik/

 

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