Mängel beim geplanten Präventionsgesetz

Zahnärzteverband DAZ kritisiert schwere Mängel beim geplanten Präventionsgesetz

Köln, 3. Februar 2005

Der Deutsche Arbeitskreis für Zahnheilkunde (DAZ) lehnt den gestern vom Bun-deskabinett verabschiedeten Entwurf eines Präventionsgesetzes wegen Überbürokratisierung, Ineffek-tivität und ungerechter Lastenverteilung ab. Seit seiner Gründung hat sich der DAZ der Förderung der Vorbeugung verschrieben und bundesgesetzliche Regelungen, wie sie bspw. im Bereich der zahnme-dizinischen Gruppenprophylaxe etabliert wurden, gefordert und unterstützt. Umso größer ist seine Enttäuschung über den jetzt vorgelegten Entwurf. Der in einem schwer überschaubaren Paragrafen-werk beschriebene gesetzliche Rahmen droht vieles in Bürokratie und Verregelung zu ersticken und bereits funktionierende Präventionsmaßnahmen sowie die Gesundheitsförderung nach dem wirksamen Prinzip der Selbstbestimmtheit zu erschweren. Weitere grundsätzliche Mängel des Gesetzes sind die Finanzierung einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe aus den Töpfen der Sozialversicherung und die unzureichende Konkretisierung dessen, wie durch Prävention benachteiligte Bevölkerungsgruppen verstärkt gefördert werden sollen.

Das Präventionsgesetz beschreibt zum Teil Aufgaben, die sich auf die Bevölkerung im allgemeinen beziehen und die Menschen unabhängig von ihrem Versicherungsstatus zu Gute kommen. Jedoch soll als Träger und Finanzierer dieser Maßnahmen lediglich die gesetzliche Sozialversicherung in die Pflicht genommen werden. Eine solche einseitige Verteilung gibt es bereits im Bereich der zahnmedi-zinischen Gruppenprophylaxe, wo seit Jahren privatversicherte Kinder und Jugendliche in Program-men der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kostenlos mitbetreut werden. Die Private Kran-kenversicherung (PKV) wehrt sich mit juristischen Argumenten erfolgreich gegen eine Beteiligung und kann beim Präventionsgesetz die gleichen Argumente geltend machen. Der DAZ lehnt es eindeu-tig ab, Lasten für die Sozialversicherungsträger festzuschreiben, solange die Beteiligung der privaten Seite ungeklärt ist. Entweder muss (nicht-personenbezogene) Prävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe von allen Versicherungsträgern gemeinsam oder aber ausschließlich über Steuern finanziert werden.

Die Umleitung von Finanzmitteln der Gesetzlichen Sozialversicherung, deren verschiedene Zweige immer wieder selbst mit Defiziten zu kämpfen haben, wird neue Lücken aufreißen. Problematisch ist es, wenn Therapie/Rehabilitation/Pflege und Prävention gegeneinander ausgespielt werden und die Hilfe für Kranke zu Gunsten von Leistungen für Gesunde beschnitten wird.

Im übrigen droht nach Ansicht des DAZ aufgrund der vorgeschriebenen Umschichtungen das Ende mancher gut funktionierenden Präventionsaktivität. Zwar sollen bereits bestehende Initiativen durch eine Übergangsregelung integriert werden. Aber es ist zu fürchten, dass vieles, was nicht in die neuen Schemata passt oder was sich seines Initiativcharakters wegen nicht integrieren will, unter dem neuen Gesetz zu Grunde gehen wird. Gesundheit hat immer auch etwas mit Selbstbestimmtheit und Kreativi-tät zu tun.

Insgesamt läßt ein Blick auf die Höhe der vorgesehenen Mittel (250 Millionen Euro) Zweifel entste-hen, ob damit überhaupt nennenswerte Präventionsaktivitäten entfaltet werden können. Noch fragli-cher erscheint dies, wenn man die neu zu etablierenden Strukturen betrachtet. Mit der geplanten Stif-tung und ihren verschiedenen Organen (Stiftungsrat, Kuratorium, Vorstand, Beirat) wird ein neuer Bürokratiekomplex geschaffen, der allein für den eigenen Unterhalt einen beachtlichen Teil der Res-sourcen verbrauchen wird. Der Abstimmungsbedarf zwischen den weiteren Beteiligten auf verschie-denen Ebenen und in verschiedenen Institutionen dürfte gigantisch werden und ebenfalls beträchtliche Mittel verschlingen. Die zahlreichen Seiten des Gesetzentwurfs, die den neuen Gremien und Details bis hin zu Reisekostenregelungen gewidmet sind, sprechen für sich.

Schließlich gilt es zu hinterfragen, ob das Gesetz dem von ihm selbst formulierten Anspruch, in be-sonderer Weise die Förderung benachteiligter Bevölkerungskreise zu bewirken, auch gerecht wird. Bisherige Programme und Maßnahmen der Gesundheitsförderung erzielen Verbesserungen eher bei dem Teil der Bevölkerung, der ohnehin schon eine günstigere Ausgangslage hat. Somit verschärft Prävention die gesellschaftliche Ungleichheit, anstatt sie zu mindern. Um sozial, gesundheitlich und bildungsmäßig benachteiligte Menschen zu erreichen, müssen ganz besondere Strategien angewandt werden. Im Bereich der zahnmedizinischen Prophylaxe (z.B. in Bezug auf Migranten) gibt es hierzu bereits erprobte Programme. Das Präventionsgesetz jedoch läßt hinsichtlich seiner sozialkompensato-rischen Zielsetzung die nötigen Konkretisierungen vermissen.

Der Ansatz, in die "Lebenswelten" der Menschen hineinwirken zu wollen, dürfte hier am ehesten in die richtige Richtung weisen. Er fusst auf Erkenntnissen der Sozialmedizin und der Public Health For-schung, die besagen, dass man nicht nur beim Verhalten ansetzen kann, sondern auch Verhältnisse günstig gestalten muss, damit Menschen Gesundheitsbewusstsein entwickeln und gesund leben kön-nen. Jedoch dürfte sich der Gesetzgeber hier völlig übernommen haben. 250 Millionen Euro und eini-ge neue Gremien werden nicht in der Lage sein, Veränderungen gerade in sozial benachteiligte Kreise und in weitgehend oder völlig private Lebensbereiche hineinzutragen. Es wäre wahrscheinlich realisti-scher, wenn der Staat seine Einwirkungsmöglichkeiten auf Bildungswesen und Medien, die einen gro-ßen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten haben, nutzen würde, um hier die gesundheitserzieheri-schen Elemente zu stärken.

Wiederholt wird im Gesetz die Forderung nach Evidenz-Basierung erhoben. Sie ist im Kern zu unter-stützen, wird aber angesichts der in der Medizin allgemein geringen Evidenzbasis zum Verhinde-rungsmittel, wenn Evidenz zur zwingenden Voraussetzung für Präventionsmaßnahmen gemacht wird.

Begrüßen würde der DAZ die Einrichtung eines beim BMGS angesiedelten Koordinierungsreferates für Präventionsprogramme. Wünschenswert wäre ferner, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die den Status einer selbständigen Bundesoberbehörde erhalten soll, sich nicht überwiegend nur in der Sucht- und Infektionsprophylaxe sondern ebenso in den übrigen Feldern der Prävention betätigt und Aufgaben der Szenebeobachtung und Öffentlichkeitsarbeit für Prävention allgemein übernimmt.

Für Rückfragen: Dr. Celina Schätze, stellv. DAZ-Vorsitzende
Reichenhaller Str. 2-3, 14199 Berlin
Tel. 030/8264232, Fax 030/81295231

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