Interessenkonflikte sind im Gesundheitswesen tägliche Realität

Zahnärzteverband DAZ betrachtet das Thema bei Tagung in Frankfurt ohne Bagatellisierung oder Skandalisierung

Troisdorf, 6. März 2012

Troisdorf, den 06. März 2012 – Der aktuelle Schadensbericht der Krankenkasse KKH Allianz hat die mediale Aufmerksamkeit erneut auf das Thema „Korruption und Abrechnungsbetrug" im Medizinbereich gelenkt. Ressourcenmissbrauch ist jedoch auch unabhängig von großen Skandalen und aufgedeckten Betrugsfällen ein Problem im deutschen Gesundheitswesen. Zusammen mit Referent Dr. Wolfgang Wodarg von der Antikorruptions-Liga „Transparency International" (TI) wollen die Zahnärzteverbände Deutscher Arbeitskreis für Zahnheilkunde (DAZ) und Vereinigung Demokratische Zahnmedizin (VDZM) bei ihrer Tagung in Frankfurt/M. am 05.05.2012 untersuchen, zu welchen Problemen die Konflikte zwischen Patientenwohl und Eigeninteressen von im Gesundheitswesen tätigen Personen und Unternehmen führen und wie man konstruktiv mit ihnen umgehen kann.

Für den Deutschen Arbeitskreis für Zahnheilkunde wie auch für Transparency sind Konflikte zwischen dem primären Ziel gesundheitlicher Versorgung – nämlich die Gesundheit von Menschen zu erhalten, wiederherzustellen oder mindestens Beschwerden zu lindern – und den sekundären Interessen von Praxen, Wissenschaftlern, Forschungseinrichtungen, Firmen usw. – nämlich von ihrer Arbeit leben zu können, einen mehr oder weniger großen Gewinn zu machen, beruflich voranzukommen, wissenschaftlichen Ruhm zu ernten, Marktanteile hinzuzugewinnen usw. – vorprogrammiert bzw. Teil des Systems. Am problematischsten treten sie zu Tage im Verhältnis zwischen einem individuellen Patienten und seinem behandelnden Arzt oder Zahnarzt, in dem der Patient, je stärker seine Krankheit ihn einschränkt, umso mehr auf ein vertrauensvolles Verhältnis bzw. die Sicherheit, dass seine Gesundheit beim Arzt an erster Stelle steht, angewiesen ist.

Wie in anderen Lebensbereichen auch gibt es im Medizinbetrieb Menschen mit krimineller Energie, die sich zu Lasten anderer Vorteile verschaffen. Ihnen muss mit Hilfe von Selbstverwaltung, Stellen zur Bekämpfung von Missbrauch bei den Kassen, Polizei und Justiz das Handwerk gelegt werden. Das primäre Ziel Patientenwohl wird jedoch auch durch strukturelle Entwicklungen im Gesundheitswesen bedroht. Seit Jahren wird angesichts der Finanzknappheit der Gesetzlichen und Privaten Kassen Wettbewerb als DAS Allheilmittel propagiert. Da jedoch, wenn es um Gesundheit von Menschen geht, weder die Arzt-Patient-Bezie­hung zu einer Verkäufer-Kunden-Beziehung werden darf noch Versicherte von ihren Kassen unter Gewinnoptimierungsgesichtspunkten betrachtet werden dürfen, ist ökonomisch ausgerichteter Wettbewerb in der medizinischen Versorgung nur in Teilbereichen anwendbar und keineswegs als generelles Paradigma und Zielvorstellung tauglich. Die Betonung dieses Prinzips hat bereits zahlreiche negative Effekte gezeitigt: Versuche von Kassen, Alte und Kranke abzuwimmeln, Erfolgsprämien für die Gewinnung lukrativer Versicherter, Bedrängen von Patienten, private Zusatzleistungen zu bezahlen, bis hin dazu, dass Praxen gesetzliche Leistungen (wie bspw. Amalgamfüllungen) nicht mehr anbieten und die finanziellen Verhältnisse neuer Patienten bereits beim ersten Kontakt mit Hilfe entsprechender Dienstleister prüfen, um nicht wunschgemäß zahlungskräftige Menschen von vornherein durch ungünstige Terminvergabe u.ä. zu vergraulen. Ebenfalls in diese Liste gehören Einseitigkeiten bis hin zu Fälschungen bei industrieller Forschung und zunehmende Abhängigkeit der Universitäten von Industriesponsoring sowohl bei der Forschung als auch neuerdings bei der Lehre.

Im gesundheitlichen Versorgungssystem tätige Personen und Unternehmen sollen zweifellos fair entlohnt werden -jedoch hat jedes Honorarsystem seine Mängel, und ein rein finanzieller Ansatz greift zu kurz. Dr. Wodarg, Leiter der TI-Arbeitsgruppe „Korruption im Gesundheitswesen", wird beim Gesundheitspolitischen Vormittag am 05.05.2012 (10-13 Uhr) berichten, zu welchen Erkenntnissen TI bei der strukturellen Analyse des deutschen Systems gelangt ist und welche Maßnahmen zur Herstellung von Transparenz und zur Förderung des Vorrangs der primären Gesundheitsziele bisher erprobt wurden und für die Zukunft angestrebt sind. Auch die Verhältnisse in der zahnärztlichen Versorgung sollen dabei unter die Lupe genommen werden.

Am Nachmittag (14-18 Uhr) folgt mit Prof. Dr. Anahita Jablonski-Momeni von der Abteilung für Kinderzahnheilkunde der Universität Marburg das Thema: „Kariesdiagnostik bei Kindern und Jugendlichen – ein Uppost_date". Für beide Veranstaltungen werden Fortbildungspunkte vergeben (je 3). Alle Interessierten sind herzlich eingeladen und erhalten weitere Informationen im beigefügten Tagungsflyer sowie über den DAZ.

Deutscher Arbeitskreis für Zahnheilkunde (DAZ)

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