Zahnärzteverband DAZ fordert:

Praxisgebühr darf Frühbehandlung von Zahnkrankheiten nicht erschweren!

Köln, 1. Oktober 2003

"Eine Praxisgebühr wird die zahnärztliche Gesundheitsvorsorge massiv gefährden!" – Diese Einschätzung äußerte anlässlich der Jahrestagung des Deutschen Arbeitskreises für Zahnheilkunde (DAZ) am 27.09.03 in Berlin, einen Tag nach der Verabschiedung des neuesten Gesundheitsreformgesetzes, der neu gewählte Vorsitzende des Verbandes, Dr. Eberhard Riedel.

Ab 2004 soll jeder gesetzlich Versicherte in jedem Quartal beim ersten Besuch eines Arztes, Zahnarztes oder Psychotherapeuten jeweils eine Selbstbeteiligung von 10 Euro entrichten (Praxisgebühr). Sucht er im selben Vierteljahr ohne Überweisung eine weitere Praxis auf, wird erneut die Gebühr fällig. Wer sowohl einen Arzt als auch einen Zahnarzt konsultiert, muss 2 x 10 Euro bezahlen, da es Überweisungen von Ärzten zu Zahnärzten und umgekehrt bisher nicht gibt.

Von der Gebühr verspricht sich der Gesetzgeber Mehreinnahmen in Millionenhöhe, aufgebracht ausschließlich durch diejenigen, die medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Zugleich erwartet er einen Steuerungseffekt in der Weise, dass die 10 Euro von unnötigen Arztbesuchen abschrecken sollen. Diese Steuerungswirkung ist jedoch überhaupt nicht bewiesen. Denkbar ist, dass erkrankte Menschen Arztkontakte der Gebühr wegen hinausschieben und dass dadurch höhere Kosten entstehen, als andernorts eingespart werden.

Für den Bereich der Zahnmedizin lässt sich feststellen, dass in den letzten 20 Jahren enorme Fortschritte u.a. durch Vorsorgeuntersuchungen, Früherkennung und Frühbehandlung erreicht werden konnten. Zwar soll, um die Prävention nicht zu gefährden, bei reinen Kontroll- und Vorsorgeuntersuchungen auch zukünftig die Praxisgebühr nicht anfallen. Problematisch wird es jedoch, wenn bei den regelmäßigen Kontrollen (kostenlose Untersuchung mit Eintragung im Bonus-Heft) Schäden entdeckt werden. Sinn der Kontrolle ist es, sie sofort zu behandeln. Sobald aber Behandlung stattfindet – z.B. eine minimalinvasive Füllungstherapie bei beginnender Karies -, muss die Gebühr entrichtet werden. Manch ein Patient wird unter diesen Umständen von der Behandlung absehen wollen bzw. zu einem separat angesetzten Termin gar nicht mehr erscheinen.

Weitere negative Begleiterscheinungen sind zu erwarten durch zeitraubende Auseinandersetzungen zwischen Behandlern und Patienten über die neuen Gebühren und dadurch, dass demnächst die Frage des Quartalsendes und des Fälligwerdens der nächsten Praxisgebühr auf wenig sachdienliche Weise die zeitliche Planung von Behandlungen mitbestimmen wird.

In den Praxen verursachen das Einfordern dieser Selbstbeteiligung, die Bescheinigung für den Patienten, die Dokumentation, Weiterleitung und Verrechnung der Gebühren usw. einen Verwaltungsaufwand, der die 10 Euro zu einem beträchtlichen Teil bereits verbraucht. Die Einnahmeverbesserung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wird unverhältnismäßig teuer erkauft.

Somit handelt es sich um eine Regelung, die nur ein geringes Plus in die Kassen der GKV bringt, jedoch den Patienten spürbar Geld abverlangt, die in den Praxen Zeit und Aufmerksamkeit von der Patientenbetreuung abzieht und die, z.B. durch notwendige Härtefallbestimmungen, das ohnehin schon unüberschaubare Regelungsdickicht im Gesundheitswesen noch undurchdringlicher macht.

Das Schlimmste aber dürfte – trotz der formalen Herausnahme von Vorsorgeuntersuchungen – die oben beschriebene Erhöhung der Schwelle für Früherkennung und Frühbehandlung, ja überhaupt für den Gang zum Zahnarzt sein. Epidemiologische Studien belegen: das größte Risiko für Zahnverlust ist das Unterlassen des Zahnarztbesuches! Mit der finanziellen Hürde konterkariert der Gesetzgeber Ziele, die er an anderer Stelle selbst als vorrangig eingestuft hat.

Der DAZ fordert, durch Rücknahme der neuen Zuzahlungsregelung oder durch eine entsprechende Ausgestaltung der Praxisgebühr dafür zu sorgen, dass auch unter dem neuen Gesetz zahnmedizinische Prävention und Frühbehandlung nicht behindert sondern gefördert werden!
Für Rückfragen: Dr. Eberhard Riedel. DAZ-Vorsitzender,
Tel. /Fax 089/534552, Mail e-riedel@web.de

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