Hintergrundlektüre und Arbeitshilfen

Kindesmisshandlung: Auch Zahnärzte können zur Aufklärung und Verhinderung beitragen

30. März 2015

Laut offizieller Polizeistatistik sterben in Deutschland jede Woche drei Kinder an den Folgen von Misshandlungen, denen sie nicht einmal, sondern wiederholt, teilweise jahrelang ausgesetzt sind. Die Dunkelziffer wird ebenso hoch oder noch höher geschätzt. Jahr für Jahr werden in Kliniken ca. 3.600 schwerst gepeinigte und vernachlässigte Kinder aufgenommen, die nicht selten für den Rest ihres Lebens behindert sind und in jedem Fall schwere seelische Schäden davontragen. Solche und weitere Zahlen berichten die Rechtsmediziner Michael Tsokos und Saskia Guddat in ihrem kürzlich erschienenen Buch „Deutschland misshandelt seine Kinder“ und schildern erschütternde Fallbeispiele – keineswegs die schlimmsten, wie sie im Interview erläutern. Es geht ihnen besonders darum, das Versagen der zuständigen Schutzsysteme aufzuzeigen und Vorschläge für deren Verbesserung zu machen. Die Misshandlungen und Tötungen gehen nicht auf das Konto von Fremden – vielmehr passieren sie im engsten Familienkreis und sind Teil des umfassenderen Problemkomplexes „Häusliche Gewalt“, zu dem auch sexueller Missbrauch und psychische Drangsalierung gehören und mit dem nicht nur Kinder konfrontiert sind.

Eine ganz wichtige Rolle bei der Aufdeckung von Misshandlungen und dem Einschalten von Hilfen kommt den Ärzten zu. Dass hier auch die Zahnärzte gefordert sind, wurde inzwischen erkannt; von einigen zahnärztlichen Körperschaften und im Kinderschutz Engagierten wurden besondere Initiativen und Fortbildungsangebote zu der Thematik entwickelt. Neben allgemeinen Ratgebern stehen Zahnmedizinern inzwischen fachspezifische Checklisten mit problematischen Symptomen und spezielle Befundbögen zur Verfügung. Viele hilfreiche Informationen können aus dem Internet geladen werden:

Ärztlicher Leitfaden Kinderschutz aus Niedersachsen (2013):
http://www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/511106/Datei/71009/%C3%84rztlicher%20Leitfaden%20Kinderschutz%20Niedersachsen.pdf
Brandenburger Leitfaden (2013) „Früherkennung von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“:
http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/leitfadenkinderschutzbb2013.pdf
Interview der „Zahnärztlichen Mitteilungen“ mit Michael Tsokos:
http://www.zm-online.de/starter/brennpunkt/Misshandelt-Deutschland-seine-Kinder_182449.html
BZÄK-Infoangebote, u.a. Dokumentationsbogen “Zahnärztliche Dokumentation bei interpersoneller Gewalt”, http://www.bzaek.de/presse/medienarchiv/broschueren-und-publikationen/haeusliche-gewalt.html
Wieder lachen e.V., Initiative, die mit Industrie-Hilfe die zahnärztlich-prothetische Versorgung von Gewaltopfern unterstützt:
http://www.wieder-lachen.com/main.html
Wissenschaftliche Expertise im Auftrag der Bundesärztekammer zur Rolle von Ärzten und Zahnärzten bei der Prävention von Kindesvernachlässigung und –misshandlung (2009):
http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Kindesmisshandlung.pdf
Hochschule Fulda: „Gesundheitsschutz bei interpersoneller Gewalt“: http://www.fh-fulda.de/index.php?id=stopp_violence

Das o.a. Buch der Forensiker Tsokos und Guddat wurde herausgebracht von der Verlagsgruppe Droemer und Knaur Febr. 2014, es hat 256 Seiten, kostet 19,99 Euro, als E-Book 17,99 Euro, ISBN: 978-3-426-27616-7.

Irmgard Berger-Orsag, Troisdorf (FORUM FÜR ZAHNHEILKUNDE 118, S. 24)