DAZ zur Neustrukturierung des zahnärztlichen Leistungskataloges:

Studienergebnisse müssen veröffentlicht und breit diskutiert werden!

Köln, 21. März 2002

Seit der letzten Gesundheitsreform stehen Krankenkassen und Zahnärzte in der Pflicht, den zahnärztlichen Leistungskatalog BEMA mit dem Ziel stärkerer Präventionsausrichtung und aufwandsgerechter Bewertung der Leistungen zu überarbeiten. Beide Selbstverwaltungspartner haben vor wenigen Tagen die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Untersuchungen und ihre Vorstellungen zu einem neuen BEMA der Öffentlichkeit präsentiert. Der Deutsche Arbeitskreis für Zahnheilkunde (DAZ) hat sich bei seiner Ratssitzung am 16.03.2002 mit den veröffentlichten Aussagen auseinandergesetzt und nimmt hierzu wie folgt Stellung:
Dass sich die Spitzenverbände der Krankenkassen und die zahnärztlichen Spitzenorganisationen nicht zu einer gemeinsamen Untersuchung des Aufwands zahnärztlicher Leistungen entschließen konnten, ist und bleibt ein Hindernis bei der Umsetzung des gesetzlichen Auftrags.. Hieran haben beide Seiten ihren Anteil. Einseitige Schuldzuweisungen gehen an den Realitäten vorbei.
Während die Kassenstudie, durchgeführt vom Institut für Funktionsanalyse im Gesundheitswesen (IFH), seit Wochen auf Papier und als post_datei verfügbar ist, zirkulieren die Ergebnisse der zahnärztlichen BAZ II-Studie bisher nur in engsten Funktionärskreisen. Die Öffentlichkeit und vor allem die Zahnärzteschaft, mit deren Beiträgen die Untersuchung durch die Gesellschaft für Betriebsforschung und angewandte Arbeitswissenschaft (GBA) finanziert wird, hat ein Recht auf vollständige Information. Der DAZ fordert eindringlich von den zahnärztlichen Körperschaften, die komplette Studie allen Interessierten zur Verfügung zu stellen, u.a. über das Internet, und eine offene Diskussion hierüber in Gang zu setzen.
Da die Zahnärzte-Studie und hierauf basierende konkrete Vorschläge zur BEMA-Neugestaltung nicht vorliegen, können weitere Überlegungen sich nur auf das von den Kassenverbänden Vorgelegte beziehen. Zunächst einmal begrüßt der DAZ, dass die Krankenkassen (anders als manche Zahnärztevertreter) davon ausgehen, das bisherige Volumen der vertragszahnärztlichen Versorgung zu erhalten.
Begrüßenswert ist ebenfalls die Zielsetzung, Ungleichgewichte zwischen verschiedenen Teilbereichen der Zahnmedizin abzubauen. Art und Umfang der in diesem Zusammenhang vorgesehenen Leistungsabwertungen kann der DAZ jedoch nicht nachvollziehen.
Grundsätzlich ist aus DAZ-Sicht zu kritisieren, dass bei der Kassen-Studie weitgehend davon abgesehen wurde, Vorgaben für die Therapie (z.B. in Form von Therapieschrittlisten) zu machen und Qualitätskriterien an Behandlungsdurchführung und -ergebnis anzulegen. Bei gleichzeitig nicht nachvollziehbarer, wahrscheinlich nicht repräsentativer Stichprobenwahl drängt sich der Eindruck auf, dass eine Art "Fließband-Zahnmedizin" gemessen wurde und nicht das, was Realität in deutschen Praxen sein und durch die Vorgaben der Selbstverwaltung gefördert werden sollte – nämlich eine individuelle Betreuung von Patienten.
Bei der Ermittlung der neuen Bewertungen zahlreicher Leistungen wurde von der Delegation an Hilfspersonal ausgegangen, ohne abzuklären, ob in deutschen Praxen so umfangreiche Delegationsmöglichkeiten überhaupt bestehen und genutzt werden. Dabei wurde selbst bei den vom IFH untersuchten Praxen nicht geprüft, ob das eingesetzte Hilfspersonal die erforderliche Qualifikation besaß. Ein neuer BEMA darf nach Meinung des DAZ keinesfalls auf Zeitwerte gestützt werden, die nur unter Zuhilfenahme illegaler Praktiken erreicht wurden.
Die aufgrund der Zeitmessungen vorgenommene Umverteilung der Finanzmittel unter den vorhandenen Leistungen führt in verschiedenen Fällen zu Ergebnissen, die der gewünschten Priorität von Prävention und Zahnerhaltung widersprechen. So beschwören beispielsweise die geplanten Abwertungen bei Wurzelkanalbehandlungen im Seitenzahnbereich oder bei Einzelkronen und bei parodontologischen Leistungen die Gefahr herauf, dass wichtige Leistungen, die letztendlich dem Erhalt von Zähnen dienen, nicht mehr oder nur in unzureichender Qualität erbracht werden.
Diskussionswürdig ist auch, ob – wie in der Kassenstudie geschehen – der Aufwand der zahnärztlichen Leistungserbringung auf den reinen Zeitwert reduziert werden darf. In der Zahnärzte-Studie wurden zusätzliche Parameter erhoben, einzelne Autoren (z.B. Schultz-Bongert sen.) haben bereits vor Jahren komplexe Indikatoren vorgeschlagen. Der zeitliche Aufwand ist sicher der entscheidende, aber nicht der einzige.
Zur Kritik ließe sich noch mehr ausführen. Jedoch darf Kritik nicht zum Feigenblatt verkommen, mit dem von den Mängeln des eigenen (Gegen-)Konzepts abgelenkt wird. Insbesondere die zahnärztlichen Körperschaften sind jetzt aufgefordert, ein eigenes konstruktives, praktikables und durchgerechnetes Konzept vorzulegen.
Der DAZ appelliert an die zahnärztliche Seite , schnellstmöglich für Transparenz zu sorgen und ihre Studie und deren Interpretation offenzulegen. An alle Beteiligten ergeht der Aufruf, doch noch Konsens zu suchen. Eine gute zahnmedizinische Versorgung unserer Bevölkerung erfordert es, dass alle an einem Strang ziehen.
Für Nachfragen: Wolfram Kolossa, DAZ-Vorsitzender

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