Laut offizieller Polizeistatistik sterben in Deutschland jede Woche drei Kinder an den Folgen von Misshandlungen, denen sie nicht einmal, sondern wiederholt, teilweise jahrelang ausgesetzt sind. Die Dunkelziffer wird ebenso hoch oder noch höher geschätzt. Jahr für Jahr werden in Kliniken ca. 3.600 schwerst gepeinigte und vernachlässigte Kinder aufgenommen, die nicht selten für den Rest ihres Lebens behindert sind und in jedem Fall schwere seelische Schäden davontragen (Michael Tsokos, Saskia Guddat – s.u.). Die Misshandlungen und Tötungen gehen nicht auf das Konto von Fremden – vielmehr passieren sie im engsten Familienkreis und sind Teil des umfassenderen Problemkomplexes „Häusliche Gewalt“, zu dem auch sexueller Missbrauch und psychische Drangsalierung gehören und mit dem nicht nur Kinder konfrontiert sind. Die behördlichen Schutzsysteme und Hilfen durch das soziale Umfeld versagen in zahlreichen Fällen.
Eine ganz wichtige Rolle bei der Aufdeckung von Misshandlungen und dem Einschalten von Hilfen kommt den Ärzten zu. Dass hier auch die Zahnärzte gefordert sind, wurde inzwischen erkannt; von einigen zahnärztlichen Körperschaften und im Kinderschutz Engagierten wurden besondere Initiativen und Fortbildungsangebote zu der Thematik entwickelt. Neben allgemeinen Ratgebern stehen Zahnmedizinern inzwischen fachspezifische Checklisten mit problematischen Symptomen und spezielle Befundbögen zur Verfügung. Viele hilfreiche Informationen können aus dem Internet geladen werden:
• Ärztlicher Leitfaden Kinderschutz aus Niedersachsen (2013):
http://www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/511106/Datei/71009/%C3%84rztlicher%20Leitfaden%20Kinderschutz%20Niedersachsen.pdf
• Brandenburger Leitfaden (2013) „Früherkennung von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“:
http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/leitfadenkinderschutzbb2013.pdf
• Interview der „Zahnärztlichen Mitteilungen“ mit Michael Tsokos:
http://www.zm-online.de/starter/brennpunkt/Misshandelt-Deutschland-seine-Kinder_182449.html
• BZÄK-Infoangebote, u.a. Dokumentationsbogen “Zahnärztliche Dokumentation bei interpersoneller Gewalt”, http://www.bzaek.de/presse/medienarchiv/broschueren-und-publikationen/haeusliche-gewalt.html
• Wieder lachen e.V., Initiative, die mit Industrie-Hilfe die zahnärztlich-prothetische Versorgung von Gewaltopfern unterstützt:
http://www.wieder-lachen.com/main.html
• Wissenschaftliche Expertise im Auftrag der Bundesärztekammer zur Rolle von Ärzten und Zahnärzten bei der Prävention von Kindesvernachlässigung und –misshandlung (2009):
http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Kindesmisshandlung.pdf
• Hochschule Fulda: „Gesundheitsschutz bei interpersoneller Gewalt“: http://www.fh-fulda.de/index.php?id=stopp_violence
Einen breiten und erschütternden Einstieg in das Thema liefert ein Buch der Forensiker Michael Tsokos und Saskia Guddat: „Deutschland misshandelt seine Kinder“, herausgebracht von der Verlagsgruppe Droemer und Knaur Febr. 2014; 256 Seiten, 19,99 Euro, als E-Book 17,99 Euro, ISBN: 978-3-426-27616-7.
Irmgard Berger-Orsag, Troisdorf