Das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz –

Entregelung ins Chaos?

Köln, 29. Mai 2006

Wesentliche Inhalte des Entwurfes für ein Vertragsrechtsänderungsgesetz sind mit der heilberuflichen Leistung des Arztes in der persönlichen Beziehung zu einem individuellen Patienten nicht vereinbar. Diese Kritik äußern die zahnärztlichen Berufsverbände Deutscher Arbeitskreis für Zahnheilkunde (DAZ) und Berlins Unabhängige Zahnärzte (BUZ) anlässlich der Verabschiedung des Gesetzentwurfes durch das Bundeskabinett. Zugleich monieren sie, dass durch einige der geplanten Entregelungen die Möglichkeit zur Aufsicht in wirtschaftlicher, qualitativer und mengenmäßiger Hinsicht, die trotz der Selbstverantwortung des einzelnen Vertragsarztes bisher vom Gesetzgeber und von den Kostenträgern für erforderlich gehalten wurde, stark eingeschränkt wird. Die im Gesetz vorgesehene Neuerung, neben einem zugelassenen Praxishauptsitz Nebenstellen zu eröffnen und in diesen wie in der Erstpraxis angestellte Ärzte für sich arbeiten zu lassen, führt notwendigerweise mit steigender Angestelltenzahl zu einer Entpersönlichung der Beziehung des Vertragsarztes zu seinen Patienten und erschwert dem Patienten die gezielte Arztwahl. Die Gründung von Nebenstellen im Bereich anderer Kassenzahnärztlicher Vereinigungen (KZVen) als dem der Zulassungs-KZV und noch viel mehr die Bildung überörtlicher Berufsausübungsgemeinschaften machen es den KZVen fast unmöglich, die ihnen bisher innerhalb des gesetzlichen Versorgungssystems übertragenen Kontroll- und Steuerungsaufgaben wie bspw. bedarfsgerechte Zulassung und Abrechnungskontrolle zu erfüllen. In der Begründung zu dem Gesetzentwurf finden sich als Hauptpunkte die Vermeidung von Unterversorgung und die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Eine Unterversorgungssituation ließe sich jedoch durch Ausnahmeregelungen auflösen, weshalb es keiner allgemeinen Rechtsänderung im geplanten Ausmaß bedürfte. Verbesserungen für Zahnärzte/innen mit Familie werden durch die begrüßenswerte Erleichterung von Angestelltenverhältnissen erreicht. Auch die geplante Mitgliedschaft der angestellten Zahnärzte in der KZV ist als Vorteil zu werten. Die Möglichkeit zur Anstellung in Filialpraxen schießt jedoch wegen der genannten Negativwirkungen über das Ziel hinaus. Dass weiterhin ein„fachübergreifender" Zusammenschluss als Voraussetzung für die Zulassung eines Medizinischen Versorgungs-Zentrums (MVZ) gefordert wird, ist wohl ärztlichen Einwänden zu verdanken und zu begrüßen – schließlich soll durch diese Zentren ja gerade die Integration verschiedener Versorgungsangebote erreicht werden. Weiterhin im Entwurf belassen wurde aber wohl die Möglichkeit, ein MVZ als juristische Person zu führen. Dies leistet der Kommerzialisierung Vorschub. Ob das MVZ tatsächlich wirtschaftlicher arbeitet, ist damit nicht gesagt, denn Wirtschaftlichkeit kann nur im Zusammenhang mit der Qualität der erbrachten Leistung beurteilt werden. Diese hängt im ärztlichen Bereich wesentlich ab von nicht-technischen beziehungsgebundenen Anteilen. Der Wettbewerbsgedanke spielt in der aktuellen Entwicklung des Gesundheitswesens eine dominante Rolle. Deshalb ist nicht nachvollziehbar, weshalb der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich, der die Grundlage eines fairen Wettbewerbes zwischen den Krankenkassen darstellen würde, aus dem Gesetzeswerk ausgegliedert wurde. Ein sehr befremdliches Verständnis von der Verantwortlichkeitsverteilung zwischen den einzelnen Teilnehmern am System der Gesundheitsversorgung offenbart der Gesetzentwurf in Bezug auf die Praxisgebühr. Dass die Ärzte mit dem Kassieren der Gebühr beauftragt worden sind, war schon eine strukturfremde Zuordnung, aber die Mahnverfahren den KZVen aufzubürden, die in keinem Anspruchsverhältnis zum Schuldner stehen, ist eine Zumutung. Einer der wenigen uneingeschränkt zu begrüßenden Aspekte des Entwurfs ist die geplante Aufhebung des Ost-Abschlages auf die private Gebührenordnung. Insgesamt ist der Gesetzentwurf als fehlerhaft und inkonsistent zu bewerten. Entweder haben seine Autoren wenig Kenntnis von den existierenden Strukturen und deren – wenn auch vielleicht teilweise unzureichendem – Funktionieren, oder sie beabsichtigen, durch das Herstellen chaotischer Zustände eine Handhabe für die Zerschlagung der ärztlichen und zahn-ärztlichen Selbstverwaltung zu erlangen.

ViSdP: Dr.Celina Schätze, stellv. DAZ-Vorsitzende

Dr. Helmut Dohmeier, BUZ-Vorsitzender

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