Zahnärzteverband DAZ erinnert an die erste deutsche Zahnärztin

Dr. Henriette Hirschfeld-Tiburtius war Vorreiterin einer sozialen und präventionsorientierten Zahnheilkunde

Köln, 12. Februar 2009

Köln, den 12. Februar 2009 – Am 14.02.2009 ist der 175. Geburtstag von Henriette Hirschfeld-Tiburtius, der ersten Deutschen, die ein Zahnmedizinstudium absolvierte und sich danach als akademisch gebildete Zahnärztin in Deutschland niederließ. Der Deutsche Arbeitskreis für Zahnheilkunde erinnert an ihren Kampf gegen Frauendiskriminierung, an ihr soziales Engagement und ihre präventionsorientierte Arbeitsweise, mit der sie ihrer Zeit weit voraus war.

Während in der DDR Zahnärztinnen die Mehrheit bildeten, blieb in den alten Bundesländern die Zahnmedizin bis ins 21. Jahrhundert hinein ein männlich dominierter Beruf. Inzwischen sind bundesweit die Frauen auf dem Vormarsch: sie stellen über 50% der Studierenden und werden in wenigen Jahren unter den zahnärztlich Tätigen die Mehrheit haben. (Dies hat übrigens nichts mit nachlassendem Interesse männlicher Personen am Fach zu tun – vielmehr stiegen in den letzten Jahren auch die Zahlen der männlichen Studienbewerber.)

Angesichts dieser Entwicklung kann man sich kaum noch in die Zeit vor gut 140 Jahren zurückversetzen, als nach schwierigen Ehejahren mit einem alkoholkranken Mann die Pfarrerstochter Henriette Hirschfeld, geb. Pagelsen allein und mittellos dastand und nach einer Tätigkeit suchte, mit der sie ihren Lebensunterhalt verdienen konnte. Sie fasste den Beschluss, Zahnmedizin zu studieren. Nachdem sie in Deutschland erfolglos von Behörde zu Behörde gepilgert war, reiste sie zum Studium in die USA und erlangte, trotz vieler Hürden, den Doctor of Dental Surgery. Sie hätte sich in Philadelphia niederlassen können, kehrte aber nach Deutschland zurück, um „einen Platz für ihre Mitschwestern zu erobern".

In Berlin eröffnete sie 1869 ihr „Zahnatelier", als erste Zahnärztin in Deutschland. Sie durfte keine männlichen Patienten, sondern nur Frauen und Kinder behandeln. Zusammen mit anderen Geschlechtsgenossinnen engagierte sie sich für die Zulassung von Frauen zum Medizin- und Zahnmedizinstudium. Erst 1901 konnte die erste Frau an einer deutschen Universität das zahnärztliche Staatsexamen ablegen.

Die inzwischen wieder verheiratete Henriette – Dr. Hirschfeld-Tiburtius -, Mutter zweier Kinder, kämpfte nicht nur mutig gegen die Vorurteile ihrer Zeitgenossen über das „schwache", angeblich zu „logischem Denken und geistiger Arbeit unfähige" Geschlecht an, sondern vertrat auch bei ihrer zahnärztlichen Tätigkeit ausgesprochen zukunftsweisende Positionen. Für sie war Zahnbehandlung nicht „kosmetische Reinigung" oder „Schönheitsreparatur" sondern ein Beitrag zur Erhaltung der Gesundheit. Schon vor 140 Jahren predigte sie Prävention in Form von gesunder Ernährung, Zahnreinigung und regelmäßigen Kontrollen von Kindesbeinen an. Wegweisend war auch ihr soziales Engagement u.a. in mehreren Einrichtungen für erwerbslose Mädchen und allein erziehende Mütter und in der von ihr mitbegründeten Poliklinik vorrangig für mittellose Frauen.

Trotz ihrer herausragenden Rolle ist Henriette Hirschfeld-Tiburtius in der deutschen Zahnmedizin lange Zeit unbeachtet geblieben. Einige Zahnärztinnen aus dem Deutschen Arbeitskreis für Zahnheilkunde und dem NAV-Virchow-Bund haben auf sie aufmerksam gemacht und den Anstoß dazu gegeben, dass von der Berliner Zahnärztekammer am 14.02.1998, anlässlich ihres 164. Geburtstages, am Standort ihrer Praxis in der Behrenstr. 9 in Berlin-Mitte ihr zu Ehren eine Gedenktafel angebracht wurde. Inzwischen hat es weitere Ehrungen gegeben.

Die erste deutsche Zahnärztin hat sich nicht dem „Mainstream" angeschlossen, sondern sich mit Ausdauer und Argumenten für ihre Überzeugungen eingesetzt. Um Plätze in Universitäten und Praxen müssen Frauen in Deutschland inzwischen nicht mehr kämpfen. Stattdessen stellt sich heute die Frage, ob Zahnärztinnen und Zahnärzte eine soziale und auf Vorbeugung orientierte Zahnheilkunde praktizieren oder ob bürokratische Vorgaben und kommerzielle Ziele die Versorgung bestimmen. Ein Vorbild wie Henriette Hirschfeld-Tiburtius ist unvermindert aktuell!

Irmgard Berger-Orsag, DAZ-Geschäftsführerin

Deutscher Arbeitskreis für Zahnheilkunde
Belfortstr. 9, 50668 Köln
Tel. 0221/97300545, Fax 0221/7391239
Mail kontakt@daz-web.de, Internet www.daz-web.de

Hinterlassen Sie eine Antwort