Wenn eine deutsche Behörde einige Kaffeeröster bei mutmaßlichen Preisabsprachen erwischt, sind schnell einmal Bußen über 100 Millionen Euro ausgesprochen. Wenn deutsche Anstalten des öffentlichen Rechts sich mit einer Firma zu Preisabsprachen zusammentun, um ein Nachfragekartell zu bilden, können sie sich auf deutsches Sozialrecht berufen.
Der Deutsche Arbeitskreis für Zahnheilkunde (DAZ) e.V. hat vor einiger Zeit angeprangert, dass die DAK, einige Betriebskrankenkassen und die Managementgesellschaft Indento GmbH Zahnärzten einen Selektivvertrag anbieten, der teilnehmenden Versicherten ‚Zahnersatz zum Nulltarif‘ verschaffen soll. Die im „dent-net" zusammengeschlossenen Zahnärzte müssen sich ‚nur‘ verpflichten, ihre Zahntechnik nicht bei einem der vielen Betriebe zu bestellen, die Zahntechnik anbieten, sondern nur bei der Firma Imex Dental und Technik GmbH.
Autobesitzer kennen so etwas: Wenn sie akzeptieren, dass die Versicherung die Werkstatt aussucht, werden die Versicherungsprämien niedriger. Wer auf eine ‚Stammwerkstatt‘ keinen Wert legt, macht ein Schnäppchen. Was es für Werkstätten sind, die sich von vornherein freiwillig auf günstige Preise festlegen lassen, kann sich ja jeder selbst überlegen.
Ein gesetzlich Versicherter (früher: Kassenpatient), der sich seine Krankenkasse nach den Kriterien ausgesucht hat, die er beurteilen kann (im Wesentlichen also die Höhe der Beiträge) wird jetzt von seiner Kasse darüber aufgeklärt, dass er beim Zahnersatz sparen kann. Er muss sich ‚nur‘ einen Zahnarzt suchen, der im ‚dent-net‘ mitmacht, der bereit ist, auf die (miesen) Honorarsätze zugunsten einer ‚Behandlungspauschale‘ zu verzichten, der hinnimmt, dass in dieser Pauschale die anfallenden Materialkosten enthalten sind, der hinnimmt, dass die Pauschale mit erheblicher Honorarabsenkung verbunden ist und der die Zahntechnik nicht beim gewohnten Meisterbetrieb, sondern bei Imex Dental bestellt. In welcher (Kredit-?)Klemme muss ein Zahnarzt stecken, der dabei mitmacht? Welche freien, abgewogenen und patientenorientierten Entscheidungen mag er noch treffen können? Allerdings: wenn er nicht mitmacht, wird er vielleicht morgen schon auf die mitversicherte Ehefrau und die Kinder des Patienten verzichten müssen, die jetzt alle beim ‚dent-net‘ Kollegen sind.
Vertragszahnärzte sind in ein enges Netz von Regeln und Kontrollen eingebunden, das der Gesetzgeber über sie geworfen hat. Überblick hat niemand mehr – Laienspieler wie Ulla Schmidt und Herr Lauterbach beziehen weiterhin ihre ungeschmälerten Pauschalen (Diäten: € 7668.-, Kostenpauschale: € 3868.-, Zuschuss zur Krankenversicherung: ca. € 250.-, Mitarbeiterpauschale: bis zu €14.712.-, Pensionsanspruch ähnlich den Beamten), die bei den so Bevorteilten gewiss ein positives Bild von pauschalen ‚Entlohnungen‘ entstehen lassen. Dieselben Laienspieler waren es, die die Schlupflöcher gelassen haben, die von DAK und Mittätern jetzt genutzt werden können.
Dies ist ein weiterer Schritt, das Prinzip der Einzelleistungsvergütung, das die Reformierer im Gesundheitswesen schon so lange stört, auszuhebeln. Man kommt dem Ziel, Zahnärzten das volle unternehmerische Risiko gegen eine Dumpingpauschale zu überlassen, wieder einmal einen guten Schritt näher, egal welche Koalition in Berlin im Gesundheitswesen herumstochert. Porschefahrern ist es nicht zuzumuten, sich bei Unfallschäden mit Reparaturpauschalen zu begnügen (BGH – VI ZR 398/02) BGHZ 155, 1) – da muss es schon eine Markenwerkstatt sein. Bei Zahnersatz für ‚dent-net‘ darf es schon auch Qualitätsarbeit von ‚geschulten Mitarbeitern‘ aus China sein.
V.i.S.d.P. Dr. Kai Müller, Stellv. DAZ-Vorsitzender
Deutscher Arbeitskreis für Zahnheilkunde (DAZ) e.V.
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