Deutscher Arbeitskreis für Zahnheilkunde (DAZ) e. V.

Evidenzbasierte CMD-Diagnostik und -Therapie

 

Prof. Dr. Jens Christoph Türp (Basel) in Berlin zur DAZ/IUZB-Tagung am 16.09.2017 ‒ Zusammenfassung seines Vortrages

Der Begriff „CMD“ ist gemäß Aussage des Referenten keine Diagnose, sondern eine übergeordnete Bezeichnung für muskuloskelettale Beschwerden in Kaumuskeln und/oder Kiefergelenken , die vorwiegend mit Schmerzen und /oder eingeschränkter Beweglichkeit des Unterkiefers einhergehen. Im Referat wurden die Diagnosen myofaszialer Schmerz (Myalgie) und Kiefergelenkarthralgie unterschieden, die entweder akut oder persistierend verlaufen können, sowie die eingeschränkte Kieferöffnung.

Da der Schmerz definitionsgemäß ein subjektives, unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis ist, spielt im Rahmen der Schmerzdiagnostik neben der ausführlichen Befragung des Patienten der Einsatz standardisierter und valider Fragebögen sowie weiterer Hilfsmittel (z. B. Schmerztagebücher) eine ausschlaggebende Rolle. Des Weiteren ist es laut Referent unabdingbar, Ganzkörperzeichnungen einzusetzen, um das Beschwerdebild richtig einordnen zu können. Aus diesen Gründen hält der Referent u. a. den DGZMK-Erhebungsbogen „Klinischer Funktionsstatus“ für eine CMD-Befundung nur für eingeschränkt geeignet.

Professor Türp stellte in der Literatur empfohlene Fragebögen für die Erfassung der psychosozialen Folgen der somatischen Kieferbeschwerden vor. Dazu gehörten die Graduierung Chronischer Schmerzen (GCS; zur Erfassung der schmerzbedingten Einschränkungen im täglichen Leben), die Beschwerden-Liste (B-LR; zur Bestimmung der Gesundheitsbelastung) und die Depressions-Angst-Stress-Skalen (DASS).

Zur Untersuchung bei Verdacht auf eine CMD-Erkrankung sollten generell nur wissenschaftlich anerkannte und bewährte Verfahren mit hoher diagnostischer Validität und Reliabilität eingesetzt werden. Dazu gehören vor allem die Erfassung der maximalen Kieferöffnung, und die Palpation der Mm. Temporales und Mm. massteres mit einem genormten Druckalgometer (Palpeter®).

Sollte bei subjektiv beschwerdefreien Personen die Betastung der Kaumuskeln an einigen Stellen positiv ausfallen, spricht man gemäß Professor Türp von erhöhter Palpationsempfindlichkeit (= erhöhte Druckdolenz). Dieser Befund gehört nicht zum CMD-Krankheitsbild, sondern kann als Normvariante (häufig bei Bruxern vorkommend) interpretiert werden. Etwaige HWS-Beschwerden (z. B. Verspannungen) sind in der Regel nicht ursächlich mit einer CMD-Problematik verbunden.

Als Risikofaktoren für die Entstehung und Aufrechterhaltung von CMD-Beschwerden werden gemäß dem Referenten in der Literatur als gesichert genannt:

  • Bruxismus

  • Stützzonenverluste bei stark verkürzter Zahnreihe

  • unilateraler Kreuzbiss (bei Kindern)

Als Therapie sollen nur Verfahren zur Anwendung kommen, die sich in kontrollierten klinischen Studien als wirksam erwiesen haben. Es lassen sich notwendige von nützlichen Maßnahmen unterscheiden. Die zahnärztlich notwendige Behandlung ist häufig eine Schienentherapie. Die Michigan-Schiene ist laut Referent die Schiene der Wahl, die bei der CMD-Behandlung eingesetzt werden sollte.

Andere Therapieverfahren (z. B. Selbstbeobachtung, Entspannungsverfahren, Physiotherapie, bestimmte Medikamente, Akupunktur,) können je nach Fall einzeln oder mit der Schiene kombiniert angewandt werden.

Dem allgemeinpraktizierenden Zahnarzt stehen demnach ausreichend objektivierbare Untersuchungsbefunde ohne große instrumentelle Hilfsmittel zur Verfügung, um in der Praxis zielsicher eine CMD-Erkrankung zu diagnostizieren. Aufmerksamkeit, Zugewandtheit und Mäßigung sind besonders in Bezug auf die CMD-Therapie zu fordern.

Da falsch-positive Diagnosen mit der Gefahr der Fehl- und Überbehandlung einhergehen, ist es aus medizinethischer und sozioökonomischer Sicht wichtig, präventiv ausgerichtete CMD-Behandlungen, denen sich häufig umfangreiche zahnärztliche Behandlungen anschließen, möglichst zu vermeiden, zumal es für ein „CMD-Screening“ keine wissenschaftliche Fundierung gibt.

Der DAZ unterstützt die Aussagen des Referenten vollumfänglich und sieht den Zahnarzt bei der Diagnostik und Therapie der CMD mit ihren multifaktoriell bedingten muskuloskelettalen Krankheitsbilder als Bindeglied zwischen der Zahn- und Allgemeinmedizin .

Dr. Gunnar Frahn

DAZ-Vorstand

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